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  Der Kalte Baum - Geschichten, Mythen und Sagen
 

"Wenn der Wanderer auf der Heerstraße von Vohenstrauß nach Wernberg, in der Richtung von Ost nach West zieht, befindet er sich auf dem Grat eines langgestreckten Bergrückens, der zu beiden Seiten ziemlich steil abfällt, und unten rechts das liebliche Lerautal, links das wildromantische Tal der schauerlichen Pfreimd bilden hilft. Sind diese Wasser jetzt auch nicht mehr bedeutend, so waren sie in der Vorzeit um so gewaltiger, da sie tiefe Schluchten in den harten Felsen zu graben vermochten. - Hebt sich das Auge, so sieht es sich bald in die Vergangenheit zurückversetzt beim Anblick der trauernden Trümmer einst herrlicher Burgen, mit denen ringsum die Berghöhen gekrönt sind; vor allem leuchten ihm die stolzen Mauern und Türme der alten Veste der weiland durchlauchtigsten Landgrafen  von Leuchtenberg entgegen, da wo der Grat gegen die Naab hin sich abdacht; und neben ihm läuft die Spur der alten Handelsstraße, auf welcher ehedem in der Zeit regeren Verkehrs die Landgrafen den Kaufleuten das Geleit gaben. Da nun, hart an der Straße, zu linker Hand, steht ein einsamer Baum, eine Steinlinde, vor sich einen kleinen Teich,  viel mehr Pfuhl, im Rücken einen Einödhof; hier weht der Wind Tag und Nacht, Sommer und Winter, in kalten Strömen, oft in der Stimme des heulenden Sturmes oder des grollenden Donners, und ewig bewegt sich das Laubdach des Baumes und teilt den Schauer des frierenden Wanderers. Darum heißt es hier: beim kalten Baum."[1]

 

Schönwerth schreibt weiter, dass dieser kalte Baum schon 1361 in einer Grenzbeschreibung der ehemaligen Landgrafschaft Leuchtenberg urkundlich erwähnt worden sei. Vor etwa 1000 Jahren soll der Kalte Baum gepflanzt worden sein, kann man in einem Artikel des "Neuen Tages" vom 14. Juli 1978 noch nachlesen, andere Heimatforscher und Geschichtsschreiber schätzten sein Alter auf 600 bis 800 Jahre. Dabei wird immer wieder auf die angebliche Ersterwähnung um 1361/62 hingewiesen. Was hat es mit dieser nun auf sich?

 

Dr. Wittman brachte in seiner "Geschichte der Landgrafen von Leuchtenberg" (München, 1850/52) die oben genannte Grenzbeschreibung mit einem Erbfolgevertrag aus dem Jahre 1362 in Verbindung, was von den meisten der folgenden Geschichtsschreiber kritiklos übernommen wurde, so auch von Brunner in seiner "Geschichte von Leuchtenberg" (Weiden, 1862/63), zudem ohne Quellenangabe. Erst Illuminatus Wagner, der sich wie kein anderer mit der Leuchtenberger Geschichte befasste, beweist in seiner "Geschichte der Landgrafen von Leuchtenberg" (Kallmünz, 1953) dass es sich erstens nur um eine Grenzbeschreibung des Landgerichts Leuchtenberg handelt und diese zweitens ohne Jahreszahl und Datum ist.

 

Beschrieben wird der Grenzverlauf darin unter anderem "...von diesem Stein mitten in der Pfreimt hinauf im Goldbach und im Goldbach aber hinauf bis auf die Straß, so von Witzschau gen Vohenstrauß geht, und auf derselben Straßen zu Berge bis zu dem kalten Bäumlein, vom kalten Bäumlein zu Tal in der Lohe zwischen der Varnleiten und das Holz Gassaue genannt, bis auf den Steig, so man von Steinach gen Lind geht ...". Wagner vermutet, dass sie aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts stammt und zum Heidelberger Vertrag führte, der 1546 u. a. die Grenzen zwischen dem "Fürstentum der Obern Pfalz" und der "Landgrafschaft Leuchtenberg" festlegte. Er hält  die Hypothese Wittmanns deshalb für falsch, weil weder im Erbfolgevertrag von 1362 noch im Teilungsvertrag von 1366 von einer solchen Grenzbeschreibung die Rede war. Allerdings wird sie in einer späteren Schrift um 1582 als "gar alte Handschrift" bezeichnet.

 

Das Alter des Kalten Baumes lässt sich also auf diese Weise nicht zuverlässig bestimmen.

Im 16. Jahrhundert kam es zu Grenzschwierigkeiten zwischen der Kurpfalz und Leuchtenberg, während deren Verlauf kurpfälzische Beamte den Kalten Baum umhauen ließen. Als sich der leuchtenbergische Kanzler Dr. Johann Federl unter anderem bei seinem kurpfälzischen Kollegen Dr. Reimer beschwerte, musste dieser am 29. Oktober 1596 eingestehen: "Des kalten Peumels wisse er selbst wohl, dass ers gesehen, und sey mit dem Abhaun Unrecht geschehen."[2]

 Nach dem Streit muss ein neuer Baum gepflanzt worden sein, denn 1612 wird das "Kalte Bäuml" wieder erwähnt. Der schon genannte leuchtenbergische Kanzler Dr. Federl berichtet, dass er am 12. Mai 1612 "... oben bei Kalten Bäuml" das Geleit für den böhmischen König Mathias übernommen habe. Er erwähnt desgleichen einen Vertrag vom 27. Juni 1606, auf Grund dessen der Grenzbaum wieder errichtet worden sei.

 

Zu Beginn des dreißigjährigen Krieges muss das "Kalte Bäuml" verdorrt sein, denn in den Jahren 1637 und 1642 wird dem Gerichtsschreiber von Leuchtenberg aufgetragen, "daß anstatt des abgedorrten sogenannten Kalten Bäumbls, das die Grenzmarkung gegen Vohenstrauß anzeigt, ein anderes Päumbl dahin gepflanzt werden solle".[3]

So alt, wie allgemein angenommen, ist der Kalte Baum also nicht. Nimmt man aber an, dass sich der Geschichtsschreiber bei der letzten Anordnung nicht solange Zeit ließ wie beim ersten Mal, dann könnte unser heutiger Baum immerhin schon über 340 Jahre alt sein.

 

A. Engelhardt schreibt 1907 [4]: "In 3 m Höhe beginnen die mächtigsten Äste, die nicht selten die absonderlichsten Formen zeigen, und ihre Verkrüppelungen und gewaltigen Stümpfe reden recht anschaulich von den schweren Kämpfen, die der alte Riese mit Sturm und Wetter zu bestehen hatte. Vor zirka 50 Jahren (zwischen 1850 und 1860) hat ein Blitzschlag ihm recht schweren Schaden zugefügt. Aus einem der abgesprengten Stücke ließ sich damals der Vater des jetzigen Besitzers einen großen Stoßtrog machen, der viele Jahre gute Dienste leistete." Dabei soll auch die große Aushöhlung im Stamm entstanden sein.

 

Bald wäre ihm aber Schlimmeres geschehen, denn einer der Vohenstraußer Landrichter wollte den beschädigten Baum beseitigen und durch einen neuen ersetzen lassen. Der damalige Besitzer pflanzte auch eine neue Linde, der Kalte Baum aber wurde durch das Ableben des gestrengen Landrichters gerettet.

 

Der Vohenstraußer Anzeiger berichtet am 19. Juni 1931, dass der Bund Naturschutz in Bayern im Einvernehmen mit dem Bezirksamt Vohenstrauß Erhaltungsmaßnahmen eingeleitet habe, nachdem von verschiedenen Seiten Besorgnisse über den Zustand des Kalten Baumes geäußert worden waren. 1982 fanden schließlich die vorerst letzten Sanierungsarbeiten an diesem Naturdenkmal statt. Unter der Federführung des Oberpfälzer Waldvereins Vohenstrauß wurden die doch erheblichen Mittel für die Rettung des Baumes aufgebracht und die Sanierung, die im Vohenstraußer Stadtrat nicht unumstritten war, durchgeführt.

 
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