oberpfalz-geschichten
  Und aus dem kalten Herzen entwuchs der kalte Baum
 

Eine Landgräfin von Leuchtenberg, eine Witwe mit zwei Kindern, aber noch jung und schön, hatte zu dem benachbarten Grafen von Sulzberg, der eben von einer Fahrt wider die Ungläubigen zurückgekehrt war, leidenschaftliche Zuneigung gefasst und ließ ihm durch einen Vertrauten davon Kunde geben. Der Graf wies aber die Zumutung unwillig mit dem Bedeuten zurück: "Soll ich Kinder aufziehen, müssen sie meines Blutes sein!" Da ließ die verblendete Mutter den beiden Kindern Nesteln in das Hemd knüpfen (ein Zaubermittel) und sie starben. Danach beschied sie den Grafen zu einer Unterredung. Auf der Höhe zwischen Sulzberg und Leuchtenberg kamen sie zusammen und der Graf beschwor das Weib, ihm die Wahrheit zu sagen auf seine Frage, ob ihre Kinder eines natürlichen Todes gestorben seien. Um die Höhe ihrer leidenschaftlichen Liebe kund zu geben, erwiderte die Gräfin: "Deinethalben mußten sie sterben." Da entbrannte der edle Mann vor Zorn und stieß ihr mit den Worten: "So stirb du deiner Kinder wegen!" das Schwert in das Herz. An derselben Stelle ließ er die unnatürliche Mutter begraben. Dabei fiel ihm aber ein Samenkorn, das er aus dem heiligen Lande mitgebracht hatte, unversehens in das Grab und aus dem kalten Herzen entwuchs der kalte Baum. Als Geist wandert die Gräfin um ihr Grab und um den Baum: daher der stete Wind, der hier geht.

 

Nicht unerwähnt lassen möchte ich ein Gedicht, das im Vohenstraußer Anzeiger vom 8. Juli 1913 abgedruckt wurde. Dichterisch etwas verfremdet (der Name Sieglind mag aus dem "Archivar" von August Sperl entnommen sein, der aber die Geschichte des eingemauerten Burgfräuleins erzählt; auch die Todesart der Kinder weicht ab) hat der unbekannte Autor (Sch.) die Entstehung der uralten Linde in Verse gefasst:

Der kalte Baum

 

Sieglind von Leuchtenberg

Die liebte einen Grafen

Obwohl sie eine Witwe war

Und Mutter von'nem Knabenpaar.

 

"Graf Sulzberg", schrieb die holde Fee,

"Dich lieb ich ohnegleichen,

Verlange was Du willst von mir,

Laß nur Dein Herz erweichen."

 

Der Graf erwiderte wutentbrannt:

"Was kommt Dir in den Sinn,

Wie kann ich Deine Kinder lieb'n,

So ich nicht ihr Vater bin?"

 

Darauf die Gräfin, ohn' Gewissen,

Wirft ihre Kinder ungesäumt

Von einem hohen steilen Fels,

Tief in die kalte Flut der Pfreimd.

 

Und sagt dem Graf beim Stelldichein:

"Die Kinder mußten für Dich sterben,

Die unserm Glück im Wege war'n,

Jetzt kannst Du ruhig um mich werben."

 

Graf Sulzberg wurde blaß vor Zorn,

Und stieß in seinem Schmerz

Das Ritterschwert der Rabenmutter

Tief ins eisig kalte Herz.

 

Und wie er sie begrub,

Da fiel aus sein'm Gwand

Ins Grab ein großes Samenkorn,

Herbeigebracht vom heil'gen Land.

 

Das Samenkorn fing an

zu keimen - am Straßensaum,

Und aus dem kalten Herz

Erwuchs der Kalte Baum.

 

 

 

O. E. Breibeck [18] bringt die unselige, grausame Mutter in Verbindung mit anderen Sagen, die sich um die Geschichte der Burg Leuchtenberg ranken. So glaubt er, in ihr die weiße Jungfrau zu erkennen, die man oft zur Mittagsstunde auf der Burgmauer sitzen und stricken sehen könne, wobei die silbernen Nadeln weithin in der Sonne glänzten. Sie stricke dann an einem Totenhemd. Des weiteren ordnet er ihr den feuerspeienden, schwarzen Pudel zu, der im großen, stockfinsteren Keller unterhalb der Dürnitz sein Unwesen treibe.

 

Jede Sage enthält auch ein Körnchen Wahrheit, das sich trotz vielmaliger mündlicher Überlieferung gehalten hat. Nur, wie lässt sich diesem Körnchen auf die Spur kommen?

Illuminatus Wagner liefert dazu eine verblüffende Parallele, auf die auch Schönwerth hinweist, und die mögliche historische Auflösung

 
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